Einer meiner Lieblingssätze und ich erinnere mich, ich habe damals so auch meinen Facebook-Kanal gestartet, war und ist:
„Tanze so, als würde niemand zuschauen.
Singe so, als würde niemand zuhören.
Liebe so, als wärest Du nie verletzt worden, und lebe so,
als sei es der Himmel auf Erden.“
(Mark Twain)
Ich kann nicht sagen, dass ich früher total perfekt sein wollte, aber ich wollte alles unbedingt besonders gut machen. Was soll ich sagen – natürlich hat das oft nicht geklappt, denn das Leben ist eine Achterbahn und Perfektionismus fährt nicht gerne Kurven geschweige denn steht er gerne Kopf. In meinen größten Lebenskrisen habe ich den Perfektionismus über Bord geworfen und ich kann nur sagen, alleine dafür hat sich das Hinfallen gelohnt.
Wenn der perfekt ausgetüftelte Regieplan nicht aufgeht entsteht Ohnmacht
Und dann sind da ja noch all die Menschen, mit denen man sich umgibt. Die stören ja hin und wieder auch ganz massiv den eigenen Perfektionsanspruch. Mütter können davon ein Lied singen. Wenn die Zwerge so gar nicht machen, wie man sich das gedacht hat. Erstaunlicherweise finden sich gerade unter Müttern ganz besonders viele Perfektionisten und die sind reihenweise extrem unglücklich, gestresst, überfordert. Sie lesen Ratgeber und Elternzeitschriften noch bevor der Termin im Kreissaal überhaupt steht. Und wenn dann die Geburt bis ins letzte Detail geplant ist, ist die Enttäuschung riesig, wenn der Nachwuchs leider so gar nicht nach Regieplan den Weg auf die Welt nimmt.
Ich hatte sogar die richtigen Bettsocken und das farblich richtige Handtuch dabei. In Weinrot, damit das Kind den Unterschied von der Gebärmutter nach draußen nicht so merkt. Das steht so tatsächlich in einem Hebammen-Buch! Heute kann ich darüber nur noch laut lachen und schiebe es entspannt auf die Hormone 🙂 Denn Pustekuchen – mein erster Sohn kam 6 Wochen zu früh und dann auch noch per Kaiserschnitt. Meine romantische Vorstellung einer achtsamen und ja – einer perfekten Geburt war in Sekundenbruchteilen zerstört und ich habe eine zweite normale Geburt gebraucht, um ein bißchen von meinen Wünschen zu realisieren.
Wenn Kinder in die Pubertät kommen, ist man vermutlich allerspätestens dann an einem Punkt angekommen, an dem man aufhören muss, das perfekte Kind zu formen, denn dann geht es nur noch darum, mit möglichst wenig Drama und Streit durch diese Zeit zu kommen und den Anschluss nicht zu verpassen.
Aber gerade als Eltern finde ich es so wichtig, nicht vorzuleben, dass alles perfekt sein muss. Unsere Kinder werden durch die Schule schon in ein ziemlich festes Raster gepresst. Für Individualität ist da doch recht wenig Raum. Wie wunderbar ist es, wenn unsere Kinder das Gefühl haben, dass sie so wie sie sind ganz wunderbar sind und dass wir ihnen zutrauen, mit unserer Unterstützung ihr Bestes zu geben.
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht
Ich behaupte auch, dass viele Beziehungen an unserem hohen Anspruch an Perfektion scheitern. Das Gras ist ja bekanntlich auf der anderen Seite immer grüner und so ziehen wir an unseren Grashalmen, damit das Gras schneller wächst und wenn es nicht so macht, wie wir uns das vorstellen, dann gehen wir einfach auf die nächste Wiese. Um dann vielleicht festzustellen, dass auch hier Ausdauer und Pflege notwendig sind.
Mut zur Lücke
Gerne verwende ich Sätze wie „Mut zur Lücke“ oder „beginne bevor Du bereit bist“. Denn was passiert denn, wenn wir diese Sätze tatsächlich verwirklichen? Es entsteht Raum, viel Raum und zwar für Durchatmen, für Gelassenheit und die Möglichkeit einen Gang zurück zu schalten. Entscheidungen trifft man besser in Achtsamkeit und nicht unter Druck. Und man kann ein Buch auch schreiben, wenn man keinen Schreibworkshop besucht hat. Man kann auch ein Bild ohne Kunstkurs malen. Selbst ein Urlaub, der nicht bis ins Detail geplant ist, schafft unglaublich viel Raum für unerwartete schöne Ereignisse.
Was möchtest Du und vor allen Dingen: was brauchst Du?
Wem wollen wir uns beweisen? Uns selbst oder dem Partner, dem Freundeskreis oder den Eltern? Um wen geht es hier? Was möchtest und brauchst Du? Es kostet unglaublich viel Energie, immer damit beschäftigt zu sein, schön, schlank, erfolgreich, gesellschaftlich angesehen oder glücklich zu sein. Wir sind dann im Außen und nicht im Innen. Wer perfekt sein will, verlässt selten seine Komfortzone. Denn das Risiko zu scheitern ist nicht vorgesehen. Das bedeutet aber auch, dass man gegebenenfalls ganz viele Momente verpasst, die uns zur persönlichen Entwicklung verhelfen und neue Türen öffnen.
Perfektionismus als Selbstschutz
Perfektionismus schützt uns nicht – im Gegenteil. Ich fürchte, dass es ein Irrglaube ist, denn wenn uns das Leben den Boden unter den Füßen wegzieht und nichts mehr perfekt ist, dann sind wir gezwungen umzudenken. Manchmal so sehr, dass das Leben nach der Krise alles verändert. Den Job, das Umfeld, die ganze Wahrnehmung auf das Leben. Und spätestens dann verändert sich auch der Blick darauf, was Priorität hat, was wichtig ist.
Ich würde jedem von uns wünschen, dass er diesen Mut zur Lücke nicht erst findet, wenn eine große Krise zuschlägt, sondern dass man sich hin und wieder fragt, ob ein bißchen weniger perfekt nicht unglaublich glücklich machen kann.
Viel Freude bei vielen unperfekten, aber zauberhaften Momenten
wünscht
Petra Sutor